Wegfall der Öffnungsklausel ab 01.01.2020

Ab 1. Januar keine Möglichkeit mehr zum Entgeltverzicht

Ohne dass es eines Beschlusses bedurft hätte, ist bei der KODA-Sitzung eine wichtige Entscheidung gefallen. Ab 1. Januar 2020 fällt die Regelung in der AVO weg, dass Mitarbeiter*innen auf Teile ihres Entgelts widerruflich verzichten können (§ 38A AVO). Diese „Öffnungsklausel“ war bis zum 31. Dezember 2019 befristet. Sie konnte von Mitarbeiter*innen in Anspruch genommen werden, die eine „geringfügige Beschäftigung“ ausüben wollten.
In den vergangenen Monaten hatte die KODA darüber verhandelt, wie es mit der Öffnungsklausel weitergehen sollte. Die Mitarbeiterseite hatte zwar deutliche Bedenken gegenüber der Anwendungspraxis der Öffnungsklausel geäußert, war aber gleichwohl bereit, über eine Fortsetzung zu verhandeln. Allerdings sollte die Verzichtsmöglichkeit deutlich begrenzt werden. Statt wie bisher ca. 30 Prozent Entgeltverzicht zu erlauben, war eine Begrenzung auf ca. 10 Prozent im Gespräch.

In der letzten KODA-Sitzung hat die Dienstgeberseite nun jedoch ihren Antrag auf Verlängerung der „Öffnungsklausel“ zurückgezogen und damit alle Verhandlungen über Kompromisse beendet.

Wie kam es dazu?
Die seit 2001 bestehende „Öffnungsklausel“ war immer nur zeitlich befristet in Kraft gesetzt und dann jeweils verlängert worden. Gegen den in der Vergangenheit immer wieder von der Dienstgeberseite vorgetragenen Wunsch nach einer Entfristung der Regelung hatte die Mitarbeiterseite deutlich Bedenken geäußert.
Bei zahlreichen Gesprächen mit Mitarbeitervertretungen und einzelnen Kolleg*innen wurde uns immer wieder deutlich, dass offensichtlich viele Mitarbeiter*innen einen Arbeitsvertrag unterzeichnet haben, bei dem sie auf die tarifgerechte Vergütung verzichten, ohne diese Entscheidung bewusst getroffen zu haben.
Im Frühjahr 2019 hatte die Regional-KODA die Hochschule Osnabrück mit einer Untersuchung dazu beauftragt. Aus den rund 2.500 Mitarbeiter*innen, die allein im Bistum Osnabrück auf tarifliches Entgelt im Rahmen der „Öffnungsklausel“ verzichten, wurde eine Zufallsauswahl von sechs Kolleg*innen interviewt. Ziel war es, in einer qualitativen Studie mehr über ihre Motivation zum Entgeltverzicht zu erfahren. Dabei wurde bei fünf von den sechs Mitarbeiter*innen deutlich, dass die Entscheidung nicht bewusst getroffen wurde und ihnen auch keine ausreichenden Informationen vorlagen.
Auch wenn die geringe Anzahl der Befragten keine gesicherten zahlenmäßigen Rückschlüsse auf die Gesamtzahl erlaubt, haben uns die Ergebnisse in unserer Skepsis als Mitarbeiterseite sehr bestärkt. Auch die Vertreter*innen der Dienstgeberseite im Fachausschuss Öffnungsklausel zeigten sich sehr betroffen nach der Vorlage der Studie.
Seit Juni hatte nun die Dienstgeberseite immer neue Positionen vorgelegt, wie ihres Erachtens mit der „Öffnungsklausel“ weiter umzugehen sei. Die Vorlagen sahen erst die Verlängerung zu den gegenwärtigen Bedingungen, dann eine Verlängerung mit modifizierten Regelungen und zwischenzeitlich eine Abschaffung der „Öffnungsklausel“ mit einer Übergangsfrist vor.
Am Tag vor der KODA-Sitzung teilte man uns mit, dass nun doch kein Antrag auf Ver-längerung der „Öffnungsklausel“ gestellt werde. Somit läuft die Bestimmung mit dem 31. Dezember 2019 aus.

Was gilt jetzt?
Ab dem 1. Januar 2020 gibt es keine „Öffnungsklausel“ mehr, die den Verzicht auf Teile des tariflichen Entgelts ermöglicht. Das heißt: Jede Kollegin und jeder Kollege ist (wie es auch im öffentlichen Dienst normal ist) auf der Basis der Arbeitsvertragsordnung zu vergüten. Dazu ist es notwendig, die entsprechende Entgeltgruppe und die richtige Stufe festzustellen. Die Stufe richtet sich danach, wie lange Mitarbeiter*innen bereits beschäftigt sind.
Die Dienstgeberseite hat zugesagt, dass künftig keine Neuverträge mehr unterhalb des Tarifes abgeschlossen werden. Jedoch sehe man sich nicht in der Pflicht, „proaktiv“ auf die Mitarbeiter*innen zuzugehen, damit eine Anpassung bestehender Verträge an den Tarif erfolgen könne. Man verweist darauf, dass die alten Verträge schuldrechtlich weiterhin gültig seien und dass die Mitarbeiter*innen die Möglichkeit hätten, individuell Widerspruch einzulegen, um eine tarifliche Eingruppierung zu erwirken.
Dagegen sehen wir an dieser Stelle den kirchlichen „dritten Weg“ in Gefahr. Eine Grundlage für den Sonderweg der Kirchen beim Arbeitsrecht ist die verbindliche Umsetzung der Regelungen. Das hat das Bundesarbeitsgericht schon 2012 verdeutlicht.
Wir erwarten deshalb, dass die Arbeitgeber nun von sich aus aktiv werden und einen interessensgerechten Änderungsvertrag anbieten (z.B. mit einer geringeren Wochenstundenzahl). Es liegt in der Verantwortung der Dienstgeber, dafür zu sorgen, dass die Arbeitsverträge dem geltenden bischöflichen Recht entsprechen. Wir halten die Behauptung für falsch, wonach der Entgeltverzicht auch nach kirchlichem Recht gültig bleibt.
Wir haben in der KODA angekündigt, dass wir diese Frage gutachterlich prüfen lassen werden.
Unabhängig davon bitten wir alle Kolleg*innen und insbesondere die Mitarbeitervertretungen darum, in der eigenen Einrichtung zu informieren. Kolleg*innen, die bisher qua Vertrag auf Entgelt verzichteten, müssen nun nach Tarif vergütet werden.

Will ich weiter einen „Mini-Job“ haben? – Was können Betroffene tun?
Bei Mitarbeiter*innen, deren Entgelt deutlich unter der 450-Euro-Grenze liegt, reicht wie bisher ein einfacher Widerruf, um künftig tarifliches Entgelt zu erhalten.
Schwieriger ist es bei denen, deren Entgelt im Jahresdurchschnitt die 450-Euro-Grenze im Monat übersteigt. Wer weiter eine steuerfreie Beschäftigung ausüben will, sollte mit dem Dienstgeber eine Reduzierung der Wochenstundenzahl absprechen. Wir gehen davon aus, dass sich die Dienstgeber diesem Anliegen gegenüber offen zeigen.
Mitarbeiter*innen, die die Tätigkeit im ersten Beschäftigungsverhältnis ausüben, also keinen weiteren Arbeitgeber haben, können zudem eine Entgeltumwandlung zugunsten ihrer betrieblichen Altersversorgung vornehmen und so weiterhin einen „Mini-Job“ ausüben.
Entgeltbestandteile, die über die Grenze einer Geringfügigen Beschäftigung hinausgehen, werden dann in die Kirchliche Zusatzversorgungskasse (KZVK) eingezahlt. So erhöht sich die spätere Betriebsrente um eine “Minijob-Rente” und es ist weiterhin die Ausübung eines „Mini-Jobs“ möglich.
Eine weitere Möglichkeit ist die Reduzierung der vertraglichen Wochenstundenzahl. Die künftige tarifliche Vergütung hat zur Folge, dass mit einer geringeren Arbeitszeit das gleiche Entgelt wie vorher erzielt wird. Hier ist mit dem Dienstgeber die Anpassung der Wochenstundenzahl abzusprechen. Wir gehen davon aus, dass sich die Dienstgeber dem entsprechenden Anliegen der Mitarbeiter*innen gegenüber offen zeigen.
Grundsätzlich erscheint es jedoch auch sinnvoll, über den Wechsel in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nachzudenken. Viele Kolleg*innen scheuen hier vermeintlich hohe steuerliche Abzüge, falls sie in der Lohnsteuerklasse V eingestuft sind. Diesbezüglich kann jedoch auch darauf hingewiesen werden, dass am Jahresende mit der Steuererklärung ein Ausgleich erfolgt. Wer darauf nicht warten möchte, hat auch die Möglichkeit, beim Finanzamt auf das „Faktorverfahren“ umzustellen. Entgegen der „klassischen“ Aufteilung nach Steuerklasse III und V in einer Partnerschaft wird hier bereits beim monatlichen Steuerabzug ein realistischer Ausgleich vorgenommen. Dadurch relativiert sich die sonst in Steuerklasse V überproportionale Abgabe.
Zudem gibt es auch einen “Übergangsbereich”, in dem sogenannte “Midijobs” angesiedelt sind. Das betrifft Einkommen von 450,01 Euro bis 1.300,00 Euro. Hier werden die Arbeitnehmerbeiträge für die Sozialversicherung nach einer reduzierten Bemessungsgrundlage berechnet. Bei der Berechnung der Entgeltpunkte für die Altersrente ergeben sich für Arbeitnehmer*innen jedoch keine Nachteile. Auf diese Weise reduziert sich die Abgabenlast, ohne eine Reduzierung der späteren Altersrente.